Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden der Theatergenossenschaft und Schauspieler Mert Fırat über die Kampagne: Lasst die Vorhänge nicht schließen

Die Kampagne mit dem Titel „Wir schließen unsere Bühnen diesen Sommer nicht“ läuft in den Monaten Juni, Juli und August. Während der gesamten Sommersaison halten die Mitgliedstheater der Kooperative ihre Bühnen geöffnet, treffen sich weiterhin mit dem Publikum und zeigen Solidarität. Die Kampagne, die unter Beteiligung der Kooperationspartner durchgeführt wird, basiert auf der Überzeugung, dass Bühnen nicht nur Orte für Theaterstücke, sondern auch Orte des Zusammenseins, des Austauschs und des Widerstands sind. Im Rahmen der Kampagne wurde die App „50 Prozent Rabatt auf die zweite Karte beim Kauf einer Karte“ eingeführt, um dem Publikum den Zugang zum Theater zu erleichtern. Studierende können mit der Option „Pausenticket“ außerdem kostenlos Theaterstücke besuchen.
Wir haben mit dem Vorstandsvorsitzenden der Theatergenossenschaft und Schauspieler Mert Fırat über die Kampagne gesprochen.
- Wie ist die Idee zur Kampagne entstanden?
Im April fand die Generalversammlung der Theaterkooperative statt. Dieses Treffen war sehr produktiv, da wir mit den Vertretern unserer Partnertheater zusammenkamen und unsere Probleme, Lösungsvorschläge und neue Projektideen diskutierten. Wir sind eine große Gruppe mit rund 80 Theatern und versuchen stets, gemeinsam und vernünftig zu handeln.
Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich wirtschaftliche und soziale Probleme täglich verschärfen. Die Auswirkungen dieser Probleme auf die Theater standen unweigerlich auf unserer Agenda. Insbesondere die Schwächung der Bindung zwischen jungen Menschen, Theatern und Publikum motivierte uns zum Handeln.
- Die kurze Dauer der Theatersaison war tatsächlich ein Problem für Theater und Theaterliebhaber.
Ja, ein weiteres Problem war die Beschränkung der Theatersaison auf September bis Mai. Diese langjährige Praxis errichtet faktisch eine unsichtbare Mauer zwischen uns und dem Publikum. Wir glauben jedoch, dass Kunst keine Saison kennt und die Meinungsfreiheit nicht zeitlich begrenzt werden kann. Bühnen sind nicht nur Orte, an denen Theaterstücke aufgeführt werden, sondern lebendige Räume, in denen wir gemeinsam denken, produzieren, Widerstand leisten, zuhören, verstehen, Einwände erheben und neue Ideen entstehen. Diese Überlegungen führten uns zu folgendem gemeinsamen Punkt:
„Lasst uns unsere Bühnen im Sommer nicht schließen. Lasst uns Seite an Seite mit dem Theater und unserem Publikum gegen Stille, Einsamkeit und Kommerz stehen. Lasst es eine Haltung sein, unter diesen Bedingungen geöffnet zu bleiben, nicht zu schließen.“
„DER ORT DES TEILENS UND DENKENS“- Was ist das Hauptziel der Kampagne?
Diese Kampagne ist kein bloßes Teilen eines Spielplans, sondern Ausdruck von Solidarität, Koproduktion und der Bewahrung der Hoffnung. Denn heute sind junge Menschen mit Zukunftslosigkeit, Theatern mit Publikumsmangel und der Gesellschaft mit zunehmender Hoffnungslosigkeit konfrontiert. Als Theatermacher glauben wir, dass die Offenhaltung unserer Bühnen sowohl eine Antwort auf das Heute als auch eine Hoffnung für Morgen ist.
Die Kampagne „Wir schließen unsere Bühnen diesen Sommer nicht“ entstand als gemeinsame Initiative der Theater unter dem Dach der Theatergenossenschaft. Sie wurde unter Beteiligung aller unserer Mitglieder ins Leben gerufen, unabhängig davon, ob sie eine Bühne besitzen oder nicht. Denn Bühnen sind nicht nur Aufführungsräume, sondern Orte des Zusammenseins, des Austauschs und des Denkens.
- Können Sie uns etwas über die Ticketkampagne erzählen?
Im Rahmen der Kampagne haben wir die App „50 % Rabatt auf die zweite Karte beim Kauf einer Karte“ eingeführt, um den Zugang zum Theater in den Monaten Juni, Juli und August zu erleichtern. Darüber hinaus können Schüler und Studenten dank unserer App „Suspended Ticket“ die Stücke kostenlos sehen.
Einige Bühnen waren bereits im Sommer geöffnet. Doch dieses Mal haben wir uns zum ersten Mal kollektiv engagiert und Position bezogen: „Wir schließen unsere Bühnen im Sommer nicht.“ Dies ist keine Kampagne, die sich nur auf diesen Sommer bezieht. Unser Ziel ist langfristiger Natur: Wir wollen gegen die Verspätung der Kunstsaison zwischen September und Mai protestieren und zukünftigen Generationen eine Erinnerung an diese Zeit hinterlassen.
Auch viele Theater, die normalerweise im Sommer geschlossen sind, haben sich mit großem Engagement der Kampagne angeschlossen. So bleiben wir Theater unserem Publikum nahe und unser Publikum uns. Viele Stücke, die wir während der Saison verpasst haben und von denen wir sagen: „Hätten wir sie doch nur gesehen“, können den ganzen Sommer über auf unseren Bühnen gesehen werden. Alle Informationen zur Kampagne und zum Programm finden Sie unter „tiyatrokooperatifi.org/bu-yazsahnelerimiz-kapatmiyoruz“.
„Der Schutz des Künstlers ist eine verfassungsmäßige Pflicht“- Welchen Ansatz sollte der Staat Ihrer Meinung nach verfolgen, um den Theatern bei der Überwindung dieser Krise zu helfen?
Die klarste und grundlegendste Antwort wäre: Artikel 64 der Verfassung sollte umgesetzt werden. Dieser Artikel legt die Verpflichtung des Staates zum Schutz künstlerischer Aktivitäten und Künstler klar fest. Es ist eine verfassungsmäßige Pflicht des Staates, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Kunstwerke und Künstler zu schützen und zu fördern sowie die Liebe zur Kunst zu verbreiten. Für die Nachhaltigkeit der Theaterkunst ist es unerlässlich, sie nicht nur als Unterhaltungsform oder Element der Populärkultur zu betrachten, sondern auch auf ihrer eigenen kulturellen Grundlage. Theater ist eine der Lebensadern des Kultur-Kunst-Ökosystems, in dem die Kreativwirtschaft nährt wird. Seine wirtschaftliche und soziale Wirkung ist ebenfalls beträchtlich.
Kunst ist eine öffentliche Dienstleistung, genau wie Gesundheit, Bildung und Justiz. Daher wäre es falsch, Theateraktivitäten als rein kommerzielle Tätigkeit zu betrachten. In diesem Zusammenhang bin ich der Meinung, dass privaten Theatern ihr Status als „kommerzielle“ Tätigkeit entzogen und ihnen ein neuer, nachhaltiger Status verliehen werden sollte, der speziell auf ihre künstlerischen Aktivitäten zugeschnitten ist.
Ich kann einige konkrete Schritte auflisten, die wie folgt unternommen werden müssen:
- Senkung der Steuerlast.
- Bereitstellung von SSI- und Mehrwertsteueranreizen.
- Stärkung und Diversifizierung der Unterstützungsmechanismen.
- Rabatte auf Bühnenkosten (Strom, Wasser, Erdgas usw.).
- Anpassung von Hilfsmitteln wie KOSGEB an Theater.
- Entwicklung von Sponsoring- und Spendensystemen nach internationalen Vorbildern.
Wenn diese Schritte umgesetzt werden, können die Theater überleben und dem Publikum leichteren Zugang verschaffen, denn die Erhaltung der Kunst bedeutet, die Gesellschaft am Leben zu erhalten.
Cumhuriyet