Die Spekulationen um die Motive hinter dem Pariser Juwelendiebstahl weisen in alle Richtungen

Den Dieben könnte es um den reinen Materialwert gehen, was die Zerstörung der französischen Kronjuwelen bedeuten würde. Es könnte aber auch ein Auftraggeber hinter dem Diebstahl im Louvre stecken. Selbst politische Motive werden nicht ausgeschlossen.
Von sieben Minuten war zuerst die Rede. Es waren allerdings nur vier Minuten, die die Diebe brauchten, um acht der französischen Kronjuwelen aus dem Louvre in Paris zu stehlen. Das weist auf hohe Professionalität hin. Allerdings unterliefen den Einbrechern auch gravierende Fehler. Das wichtigste Stück, die Krone von Kaiserin Eugénie, verloren sie auf der Flucht mitten auf der Strasse.
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Das Prunkstück aus Gold ist besetzt mit 1354 Diamanten und 56 Smaragden. Es wurde beschädigt wiedergefunden. Auch einen Handschuh sollen die Täter zurückgelassen haben. Dieser könnte nun auf DNA-Spuren untersucht werden.
Derweil gehen die Spekulationen viral über die Hintergründe des dreisten Diebstahls vom letzten Sonntag, der sich am helllichten Tag ereignete und als Juwelenraub des Jahrhunderts in die Geschichte eingehen dürfte. Man spricht von einem Auftragsdiebstahl, hinter dem sich ein einzelner Juwelenfetischist verbergen könnte, der die einmaligen Stücke als Trophäen sein eigen nennen und damit im Kreis von Eingeweihten prahlen will.
Man fürchtet auch, dass die Juwelen aufgrund ihres rein materiellen Werts, der immens sein dürfte, gestohlen wurden. Das Horrorszenario dabei: Sie werden «ausgeweidet», wie es im Fachjargon heisst. Die Schmuckkreationen würden dann zerstört, die Edelsteine aus ihren Fassungen gebrochen und neu geschliffen, das Edelmetall eingeschmolzen, um das Ganze auf dem Markt zu versilbern.
Spur im AuslandSelbst über politische Motive wird spekuliert. Steckt der Kreml dahinter, mit dem Ziel, Frankreich zu demütigen und zu destabilisieren? Die Spur der Diebe könnte tatsächlich ins Ausland führen. Die Diebe jedenfalls waren keine Laien. Vielleicht verfügten sie über eine terroristische Ausbildung. Vielleicht sind sie die Laufburschen einer mächtigen kriminellen Organisation.
Erst kürzlich soll ein Drogenboss in Frankreich festgesetzt worden sein. Könnte es darum gehen, ihn mit dem spektakulären Diebesgut freizupressen? Kam der Auftrag allerdings tatsächlich aus dem Ausland, wird der gefundene Handschuh wenig nützen. Seine DNA-Spuren werden dann in der französischen Datenbank kaum zu verifizieren sein.
Art-Napping lautet ein weiterer Verdacht. Dabei geht es vor allem darum, berühmte und hoch versicherte Kunstwerke zu stehlen, um damit ein Lösegeld zu erpressen. Das wäre der günstigste Fall für die Juwelen aus dem Louvre. Dann nämlich würden die auch historisch ausserordentlich bedeutenden Stücke nicht der Zerstörung anheimfallen.
Art-Napping könnte die Absicht hinter dem berühmten Kunstraub Bührle in Zürich von 2008 gewesen sein. Den Räubern jedenfalls wurden seinerzeit für die vier gestohlenen Werke im Wert von 180 Millionen Franken als Lösegeldanzahlung 1,4 Millionen Euro übergeben, bevor sie verhaftet werden konnten. Gestohlene Gemälde eines Cézanne oder Degas nämlich lassen sich auf dem Markt unmöglich zu Geld verwerten. Beim Kunstraub gilt die alte Erkenntnis: Das Klauen ist leichter als das Absetzen.
Tatverdächtige eines ClansAnders ist das bei Juwelen und Goldobjekten. Weshalb man jetzt im Louvre-Fall um die Stücke bangen muss. Man erinnert sich noch gut an den Dresdner Juwelendiebstahl von 2019. Damals waren historische Schmuckstücke mit 4300 Diamanten im Versicherungswert von über 100 Millionen Euro Gegenstand eines aufsehenerregenden Coups. Die Juwelen wurden aus dem Grünen Gewölbe des Residenzschlosses gestohlen. Man befürchtete, dass sie demontiert würden und damit für immer verloren seien.
Allerdings kamen beinahe alle Schmuckstücke aus der Zeit Augusts des Starken wieder zum Vorschein. Damals zeichnete der Remmo-Clan, eine arabischstämmige Grossfamilie in Deutschland, für den Diebstahl verantwortlich. Auf das Konto dieser Verbrecherorganisation geht auch der Raub einer hundert Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Bode-Museum, die verschollen blieb. Im Dresdner Fall konnten alle Tatverdächtigen des Clans geschnappt werden. In einem Deal mit der Justiz gaben sie den Grossteil der unersetzbaren Stücke zurück.
Der Raub der französischen Kronjuwelen wirft aber auch einmal mehr die Frage auf, wie gut sich Museen überhaupt gegen Diebstahl wappnen können. Dass der Louvre grosse Versäumnisse aufweist, was die Sicherung seiner Schätze betrifft, mag mit ein Grund gewesen sein, warum der Diebstahl überhaupt erfolgte.
Auch im Fall der spektakulären Entwendung von Rumäniens Nationalschatz, dem Goldhelm von Cotofenesti, Anfang dieses Jahres war das kulturhistorische Drents Museum im niederländischen Assen, wo die Leihgabe ausgestellt war, nur mangelhaft geschützt. Die Diebe hatten es wohl auf den Materialwert abgesehen – der rund 2500 Jahre alte Helm aus dem Historischen Nationalmuseum in Bukarest ist aus purem Gold gefertigt und wiegt rund ein Kilogramm. Sie hatten leichtes Spiel: Mit Sprengstoff verschafften sie sich Zugang zum Museum.
Wachpersonal fehlte, elektronische Sicherungssysteme und Videoüberwachung konnten nichts ausrichten. Öffentliche Museen können sich kaum bewaffnetes Sicherheitspersonal leisten, wie es die grossen Juweliergeschäfte seit geraumer Zeit aufweisen. Absolute Sicherheit für Museen wird es nicht geben, solange man die Originale und nicht bloss Kopien ausstellen will.
nzz.ch