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Donald Trump spielt sich als Retter von rund 170 Millionen Tiktok-Nutzern in den USA auf – dabei wollte er die App einst selber verbieten

Donald Trump spielt sich als Retter von rund 170 Millionen Tiktok-Nutzern in den USA auf – dabei wollte er die App einst selber verbieten
Die USA haben Tiktok zu Grabe getragen und wiederauferstehen lassen.

In der Schweiz hat Tiktok eben eine Tochtergesellschaft gegründet, in den USA steht die App und damit auch die Unternehmung wahrscheinlich vor dem Aus. Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein Gesetz des US-Kongresses von letztem Jahr verunmöglicht praktisch die Nutzung der App und zwingt zu einem Verkauf an eine amerikanische Unternehmung. Beschwerden von Tiktok wegen der Verletzung des First Amendment, der Verfassungsgarantie der Meinungsfreiheit, blieben vor allen Instanzen erfolglos.

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Der Supreme Court meinte einstimmig, das Gesetz verbiete nicht die von Tiktok verbreiteten Inhalte. Es richte sich vor allem gegen den Missbrauch von Nutzerdaten und deren mögliche Bekanntgabe an die chinesischen Behörden, wozu die Muttergesellschaft Bytedance gezwungen werden könne. Damit sei die Meinungsfreiheit nicht in ihrem Kern betroffen, und das Gesetz diene einem legitimen Zweck. Das Gesetz, das seinerzeit von Demokraten und Republikanern unterstützt wurde, wäre einen Tag vor dem Amtsantritt von Trump in Kraft getreten. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat Trump einen Aufschub von zweieinhalb Monaten gewährt.

Die Geschichte enthält bei genauerem Hinsehen viel Ungereimtes. Dies beginnt mit dem von Trump gewährten Aufschub. Dieser weist das Justizministerium an, die Missachtung des Gesetzes einstweilen zu tolerieren. Das Gesetz selber legte das Datum des Inkrafttretens fest. Der Präsident kann kein Gesetz des Kongresses überspielen. Die Gewaltenteilung lässt dies nicht zu. Praktisch macht Trump indes genau das, wie auch mit zahlreichen anderen Executive Orders.

Rund 170 Millionen Tiktok-Nutzer in den USA

Trump will die Macht der Exekutive zulasten des Gesetzgebers ausdehnen. Derselbe Präsident Trump hat während seiner ersten Amtszeit in einer Executive Order genau das Gleiche versucht wie der Kongress: entweder die Verbreitung der Tiktok-App verbieten oder Bytedance zum Verkauf an eine US-Unternehmung zwingen. Diesem Versuch setzten Gerichte ein Ende. Nunmehr die Kehrtwende von Trump, der sich wahrscheinlich als Retter von rund 170 Millionen Tiktok-Nutzern in den USA inszenieren möchte.

Dabei ist Bytedance als Eigentümerin von Tiktok wohl eine in China domizilierte Firma, aber rund 60 Prozent der Anteile werden von ausländischen Investoren gehalten, darunter von bekannten Unternehmungen wie Blackrock, Carlyle Group und Softbank, die zu einem erheblichen Teil amerikanisch beherrscht sind. Tiktok ist also bei weitem nicht so chinesisch, wie es den Anschein macht.

Nutzer weichen auf chinesische Apps aus

Das Gesetz ist nicht ein eigentliches Verbot von Tiktok, auch wenn in Medien oft von einem Verbot die Rede ist. Vielmehr wird es US-Unternehmungen verboten, die App zu verbreiten, zu unterhalten oder dazu beizutragen. Unklar bleibt, wieweit die App mit diesem Verbot im bisherigen Umfang hätte weiter genutzt werden können. Angesichts der politischen Implikationen und möglicher finanzieller Sanktionen reagierten US-Unternehmen schnell und stellten jegliche Unterstützung ein. Auch Tiktok selber schloss vorübergehend den Zugang, obschon unklar war, ob eine Verpflichtung bestand. Die Vermutung liegt nahe, dass Druck auf Trump aufgebaut werden sollte, weil Millionen Amerikaner die App nutzen. Dieser Druck hat offensichtlich gewirkt. Zahlreiche Nutzer sind wegen des vorübergehenden Verbots auf andere chinesische Apps ausgewichen, zum Beispiel auf Rednote, die noch weitaus stärker chinesisch beherrscht ist als Tiktok. Als Massenphänomen hätte dies den Überlegungen des Kongresses eindeutig widersprochen.

Dieser begründete die Massnahmen gegen Tiktok damit, dass die App die Sicherheit der USA gefährde. Diese vom Supreme Court geschützten Sicherheitsüberlegungen scheinen weit weniger substanziell zu sein, als es der Anschein macht. Die meisten Nutzerdaten konnten bis vor kurzem bei Datenbrokern gekauft werden. Dies hat das neue Gesetz zwar verboten. Aber letztlich sind es die USA selber, die den Handel und die Nutzung von Daten zulassen, weil das Datenschutzniveau sehr tief ist.

Zweiklassengesellschaft unter den Anbietern

Mit dem Tiktok-Gesetz werden in den USA nun verschiedene Kategorien von Portalen geschaffen, die einem unterschiedlichen rechtlichen Regime unterworfen sind. Für amerikanische Anbieter gilt ein sehr tiefes, für ausländische, von feindlichen Staaten beherrschte Portale ein sehr hohes Datenschutzniveau. Betroffen sind namentlich China und Russland. Damit überlagern machtpolitische Überlegungen die Sicherheitsaspekte. Wenn man bedenkt, dass der US-Präsident und Elon Musk Eigentümer von sozialen Netzwerken sind, stellt sich die Frage, wie weit auch wirtschaftliche Eigeninteressen im Spiel sind. Klar ist, dass der Kongress in der derzeitigen Zusammensetzung weder den Datenschutz verstärken noch eine griffigere Regulierung von Plattformen erlassen wird.

Bei allen Ungereimtheiten ist klar: Tiktok droht in den USA das Aus. Wird dies auch in Europa so sein? Die europäische Datenschutzgesetzgebung ist auf jeden Fall viel griffiger als die amerikanische.

Urs Saxer ist Rechtsanwalt und Professor an der Universität Zürich. Er ist spezialisiert auf Verfassungs- und Medienrecht.

nzz.ch

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