Nach massiver Kritik wegen Absage an Michel Friedman: Bürgermeister von Klütz tritt zurück

Der Bürgermeister von Klütz (Mecklenburg-Vorpommern) wird zurücktreten. Darüber hat der 71 Jahre alte Jürgen Mevius (Unabhängige Wählergemeinschaft) die Ostsee-Zeitung am Freitag informiert. Er werde sein Amt noch bis zum 31. Oktober ausüben. Mevius war im Juni 2024 mit 78 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden.
Mevius hat in der Ostsee-Zeitung nicht über die Gründe für seinen Rücktritt gesprochen, aber er dürfte mit der Debatte um den Auftritt des Publizisten Michel Friedman zusammenhängen. Dieser sollte im Oktober 2026 im Rahmen einer Hannah-Arendt-Woche im Klützer Literaturhaus „Uwe Johnson“ auftreten, wurde aber auf Anweisung von Mevius ausgeladen. Dies hat bundesweit für Aufsehen und Kritik gesorgt.
Die Gründe für Mevius’ Vorgehen sind unklar. Der Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, sagt laut Presseberichten, Mevius habe ihm am Telefon mitgeteilt, in der Stadt gebe es Sorge, dass die Veranstaltung mit Friedman rechte Störer und auch Hamas-Aktivisten auf den Plan rufen könne. Der Bürgermeister weist dies von sich, die Absage habe Kostengründe, die Veranstaltung mit Friedman sei zu teuer für die Gemeinde. Hintz wiederum sagt, Friedemans Auftritt wäre aus privaten Spenden finanziert worden, er wandte sich dann auch an die Öffentlichkeit und schrieb, der Vorgang werfe die Frage auf, wie wehrhaft die Demokratie sei, wenn solche Entscheidungen getroffen werden. Weder Hintz noch Mevius waren für die Berliner Zeitung zu sprechen.
Die Ausladung Friedmans wurde etwa von dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung kritisiert. Felix Klein sprach von einem „direkten Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit in unserem Land“. Die erteilte Absage sei ein Armutszeugnis für die dortige Gemeinde.
Michel Friedman glaubt nicht an finanzielle Gründe für seine AusladungMeron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, beunruhigt nicht nur der konkrete Fall der Absage Friedmans. Ihm geht es vielmehr um einen größeren Trend: „Wir sehen, dass zunehmend Kulturinstitutionen, Kommunen oder Städte einknicken vor Drohungen“, sagte Mendel im Gespräch mit dem Hessischen Rundfunk (hr). Das sei eine Art von vorauseilendem Gehorsam. „Wenn wir solche Vorgänge nicht kritisieren, ist das nicht nur eine Bankrotterklärung der Kommune, sondern auch eine Bankrotterklärung unserer gesamten Gesellschaft, der Öffentlichkeit und der Medien“, so Mendel.
Michel Friedman selbst bezeichnete die Ausladung im NDR als „peinliche Heuchelei“. Er lasse sich von Ausladungen dieser Art nicht einschüchtern, so der Sohn von Holocaust-Überlebenden. Im hr sagt Friedman: „Dieser Vorgang ist einer der vielen kleinen Angriffe auf die Kunstfreiheit, auf die Kulturfreiheit, denn sie ist ein Übergriff eines Amtsträgers in die Arbeit eines Kulturhauses.“ An finanzielle Gründe glaubt Friedman nicht: „Hier wird zurückgerudert, hier wird versucht, Schaden zu begrenzen."
Nach Klütz kommt Michel Friedman nun trotzdem – und zwar schon am Montag. Die Autorenvereinigung PEN Berlin hat für diesen Tag eine Kundgebung für Meinungsfreiheit und kulturelle Autonomie in Klütz angekündigt. Friedman wird dort unter dem Motto „Gewalt beginnt, wo das Reden aufhört – für eine starke Zivilgesellschaft in Klütz und überall“ auftreten.
Berliner-zeitung