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Tochter von Star-Wars-Regisseur: Ist Gracie Abrams die neue Taylor Swift?

Tochter von Star-Wars-Regisseur: Ist Gracie Abrams die neue Taylor Swift?

Die Frau im Song hat sich von einem giftigen Typen verabschiedet, und bekommt immer noch kaum Luft. Keine guten Worte für den Ex, dann Mitleid mit dessen Neuer, die sie gern vor ihm warnen würde. Sie habe es lebend herausgeschafft, ist aber nicht mehr dieselbe. „Ich sagte, mir geht’s gut, aber ich hab’ das aus dem Sarg heraus gesagt.“ Ein Selbstermächtigungssong. Der Abendwind lässt die Rüschen am Kleid der jungen Sängerin wehen. Im Blau des Festivalhimmels über ihr hängen ein paar braune Regenwolken.

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Es ist Glastonbury-Festival 2025, der 27. Juni, einer der längsten Tage des Jahres. Das Rockfestival, an dem Ort, an dem das Tor zum verwunschenen Avalon der Artussage liegen soll, gehört zu den größten und begehrtesten der Welt. Hier aufzutreten ist eine Art Ritterschlag. Die junge Amerikanerin mit dem roten Halstuch (das sie als Kopftuch trägt) singt kraftvoll, steigt ins Falsett.

Gracie Abrams, die auf der Südbühne des Festivals ihr Glastonbury-Debüt gibt, bekommt das Lächeln nicht mehr von ihren Lippen. „That’s so True“ ist der vorletzte Song ihres Sets. Den Refrain kennt jeder, Zehntausende Fans singen ihn lauthals mit (auch Charli XCX war dabei): „Ich weiß, was ich weiß, du bist bloß ein weiterer Typ, / oh, und das ist so wahr.“

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Gracie Abrams ist die Tochter des Hollywoodproduzenten und -Regisseurs J. J. Abrams, der mit der Mysteryserie „Lost“ berühmt wurde, der „Star Trek“ mit Chris Pine als Captain Kirk für Kino runderneuerte und auch in Luke Skywalkers „Star Wars“-Kosmos zwei (unter Fans umstrittene) Filme drehte. Und „That’s So True“ ist der Song, der Gracie Abrams in diesem Jahr für alle Welt zum Namen macht.

Das Lied steigt in die Top Ten der US-Billboard-Hot-100 und wurde Nummer 1 in Großbritannien (acht Wochen lang), in Australien, Kanada und den Niederlanden, stand am 3. Januar auf Platz 2 der deutschen Hitliste,wo das Lied nun schon seit 47 Wochen verweilt.

Schon früher hatte Abrams mit ihren Songs Chartsberührungen gehabt, wenn auch unregelmäßig. Ihre erste EP „Minor“ schaffte es 2020 in die Top Ten von Belgien und den Niederlanden. Kam auch wie alles seither von ihr auf Interscope heraus, dem 1990 von Jimmy Iovine gegründeten Kreativ-Label, auf dem Leute und Bands wie Eminem, Madonna, Lady Gaga und Imagine Dragons veröffentlichten und im vergangenen Jahrzehnt in den USA auch einige U2-Alben erschienen waren.

Gute Voraussetzungen. Aber einige starke Songs wie etwa „Rockland“ – Abrams’ Co-Autor war Aaron Dessner von The National, bis heute auch ihr vorrangiger Produzent – verhallten ungehört. Dann wurde Abrams 2021 Anheizer der „Sour“-Tour von Olivia Rodrigo, die damals mit coolem Rumpelrock ihre Disney-Wurzeln abstreifte. Ab 2023 eröffnete sie US-Konzerte der „Eras“-Tour von Taylor Swift, der kommerziell erfolgreichsten Tour aller Zeiten. Eine bessere Plattform gibt es vermutlich nicht.

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Und beim Video zum elektronisch grundierten Liebesendzeitsong „Where Do We Go Now” (2023) hatte Gia Coppola die Spielleitung, die Enkelin von Francis Ford Coppola, deren Spielfilm „The Last Showgirl” im Jahr darauf das Comeback von “Baywatch”-Star Pamela Anderson als abgetakelter Las-Vegas-Tänzerin bewirkte.

Ist so viel Glück zu fassen? Oder war es gar kein Glück, sondern der einflussreiche Daddy, der Verbindungen spielen ließ? Der Verdacht von Vetternwirtschaft alias Nepotismus, wurde bei Abrams immer wieder geäußert. Die abgeklärte Musikbranche fragte sich: Ist sie nur ein weiteres „Nepo-Baby“?

Die Künstlerin trat die Flucht nach vorn an: „Es gibt unzählige sichtbare und noch mehr unsichtbare Vorteile, wenn man Familienmitglieder hat, die in der Unterhaltungsbranche tätig sind“, räumte sie im Februar 2023 gegenüber dem Musikmagazin „Rolling Stone“ ein.

Verwies aber auch darauf, dass sie ihren künstlerischen Weg definitiv nicht an Vaters Hand geht: „Ich weiß, wie hart ich arbeite“, erklärte sie selbstbewusst, „und ich weiß, wie sehr ich (meine Eltern) aus allen Gesprächen über meine Karriere herausgehalten habe.“

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Natürlich konnte ein Paul McCartney seinem Sohn James Türen öffnen, aber er konnte die Welt nicht dazu bewegen, dessen Lieder zu hören und zu Hits zu machen. Hätte Abrams nicht ihre Hingabe, nicht das Talent, gute Songs zu schreiben, nicht ihre wiedererkennbare Stimme, hätte sich Interscope nie für sie interessiert, hätte sie derzeit nicht 36 Millionen monatliche Hörerinnen und Hörer auf Spotify, nicht 6 Millionen Follower auf Instagram und wäre ihr immer noch aktuelles Album „The Secret of Us“ nicht der überragende Chartserfolg geworden. In Deutschland erreichte es Platz 4.

„Breathy“ nennt man eine Stimme wie die ihre, ein Seufzen, Hauchen, Flüstern, in dem immer auch ihr Atem zu hören ist. Intensiv und emotional klingen die Stücke von „The Secret of Us“, die sie vornehmlich mit Dessner (der auch Co-Autor vieler Songs von Taylor Swifts folkigen Alben „Folklore“ und „Evermore“ war) geschrieben hat. Und mit „Us“ ist dann auch ein besonders anmutiger Zwiegesang mit Swift enthalten, der für den Duett-Grammy nominiert war. „Catchy“ nennt man, wenn die Melodien sofort im Ohr bleiben.

Leitinstrument der Band ist bei vielen der „Secret“-Stücke Abrams’ Akustikgitarre, man hört feinmelodische Gespinste, wie man sie auch live in Glastonbury erlebte. Mehr Midtempo als früher, bei „Tough Love“ und „Free Now“ auch mal Uptempo. Gelegentlich, etwa bei „Close To You“ regieren – für Tanzmusik vergleichsweise zart – auch mal Beats und Synthesizer.

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Audrey Hobert, Kindheitsfreundin und Co-Autorin von "That's So True"

Ist das Folkpop? Indiepop? Abrams nennt aktuelle Stars wie Swift, Phoebe Bridgers und Lorde als musikalische Einflüsse, aber sie geht auch tiefer in die Popgeschichte, lässt als wichtigsten Bezug den Namen Joni Mitchell fallen, führt Kate Bush und Elvis Costello an und geht zurück bis zu Simon & Garfunkel - dem Duo, das es Mitte der 60er-Jahre schaffte, Folk durch Popbeigaben nicht zu übersüßen, sondern zu veredeln.

War das erste Album von Rückblicken geprägt, so ist das neue persönlicher – Abrams verhandelt ihre Gegenwart: Liebe, Liebesenttäuschung, Verlassensein, Erwachsensein. Der „New Musical Express“ sah eine gereifte Künstlerin „auf dem Dancefloor weinen und ihre innersten Gedanken mit den besten Freunden im Raucherbereich teilen“. Und diese besten Freunde sind natürlich am Ende all ihre Anhänger, die „Gracie Nation“ genannten Die-Hard-Fans und die anderen.

Zu Beginn des Jahres war sie dann zum ersten Mal in ihrem Leben ohne Inspiration gewesen, wie sie dem „Billboard Magazine“ im April erzählte. „Ich fühlte mich, als hätte ich nichts mitzuteilen.“ Der Druck des Erfolgs. „,That’s So True“ war mein erster Song, der alles geschafft hat. Jedes Mal, wenn ich mich hinsetzte, um etwas zu schreiben, fühlte ich mich ein bisschen krank. Ich dachte mir: ‚Wie schaffe ich es, etwas zu schreiben, das das übertrumpft?‘“

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Was sie will, ist, „so vielen Menschen wie möglich das Gefühl zu geben, mit sich selbst und der Gemeinschaft verbunden zu sein“, sagt Abrams. Audrey Hobert, ihre Kindheitsfreundin und die Co-Autorin von „That‘s So True“, die mit Abrams zwei Jahre in Los Angeles lebte, bevor diese nach New York zog, sagt von ihr, sie habe „nie jemanden gesehen, der länger und härter gearbeitet“ habe und dass man nie höre, „dass dieses Mädchen sich beklagt“. „Sie ist wirklich bis ins Innerste dankbar. Das ist nicht nur etwas, das sie sagt.“

Nachdem Amerika den Donald Trump zum Präsidenten gewählt hatte, war Abrams niedergeschlagen. „Trump ist erst seit einem Monat im Amt und hat bereits alles in seiner Macht Stehende getan, um jede marginalisierte Gemeinschaft kleiner erscheinen zu lassen, alle stärker zu gefährden, uns mit Informationen oder Fehlinformationen zu überfluten, sodass wir uns machtlos und hoffnungslos fühlen“, sagte die Sängerin, die die demokratische Kandidatin Kamala Harris unterstützt hatte, im Februar der britischen Tageszeitung „The Guardian“. Sie habe erst ihre Tour absagen wollen, sei dann aber doch aufgetreten, weil die Fans in ihren Shows, „für zwei Stunden ihre Batterien aufladen“ könnten.

Schon 2022 hatte sie sich gegen die Aufhebung von „Roe v. Wade“ geäußert, der Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht von 1973, wonach eine Frau das verfassungsmäßige Recht habe, über Abbruch oder Fortsetzung ihrer Schwangerschaft selbst zu entscheiden. Sie brachte ein T-Shirt auf den Markt, dessen kompletter Erlös an das „National Network of Abortion Funds“ ging. Damals sah sie in der Abschaffung durch den Supreme Court „einen kleinen Teil einer massiven antidemokratischen Bewegung, die … in diesem Land stattfindet.“

Und auch bei ihren Konzerten, wie zuletzt am 9. August beim dreitägigen Outside Lands-Festival im Golden Gate Park von San Francisco, bei dem auch Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom im Publikum war, verwies sie auf die Kräfte, „die in diesem Land ihr Bestes tun, uns so zynisch und ängstlich wie möglich zu machen“. Ein Star – einer mit Haltung.

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Der seinen neuen Marktwert auch beim sommerlichen Britfest am Tor zu Avalon genoss. „Niemand hatte eine bessere Zeit in Glastonbury als Gracie Abrams“, schrieb nach den drei Tagen von Pop und Rock die Lifestyle-Website „Nylon“. Nicht von ungefähr coverte Abrams im Konzert „Just Like Heaven“ von The Cure. Und wurde am Sonntag, als Cure-Sänger Robert Smith beim Konzert von Olivia Rodrigo für ein gemeinsames „Friday I’m in Love“ auf die Bühne kam, auf den Schultern des irischen Schauspielers Paul Mescal gesichtet, mit dem sie liiert ist.

Danach schrieb sie auf Instagram: „Glastonbury, ich danke euch so sehr. Ich werde nie aufhören, mich zu kneifen, dass wir das machen durften.“

Aktuelles Album: Gracie Abrams – „The Secret of Us“ (Interscope Records)

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