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Der «Daily Telegraph» macht mit dem Ukraine-Krieg Eigenwerbung

Der «Daily Telegraph» macht mit dem Ukraine-Krieg Eigenwerbung
Der konservative «Daily Telegraph» sorgt mit einer forschen Inserate-Kampagne für Aufsehen.

Der «Daily Telegraph» ist in Grossbritannien eine Institution. Wegen seiner traditionellen Nähe zur Konservativen Partei wird das Blatt im Volksmund auch «Tory-Graph» genannt. Wenn der seit 1855 erscheinende «Telegraph» die Marschrichtung vorgibt, ist dies für die Tory-Partei, aber auch für die erstarkte rechtsnationale Konkurrenz von Reform UK von Belang.

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Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund eine neue Inserate-Kampagne des Traditionsblattes. Unter dem Motto «we speak your mind» (etwa: «wir sprechen deine Meinung aus») steht auf grossen Plakaten im ganzen Land zum Beispiel die Botschaft: «Seit wann ist Stolz auf dein Land ein Vorurteil?»

Die Anspielung auf den Kulturkampf um das Vermächtnis des Empire sorgte in den sozialen Netzwerken freilich für weit weniger Echo als die Plakate zum Ukraine-Krieg, die zur gleichen Kampagne gehören: «Schon einmal von Riga, Tallinn oder Vilnius gehört?», steht da in grossen Lettern. «Das wirst du, wenn wir Kiew im Stich lassen.»

An excellent advert from The Telegraph

"Ever heard of Riga, Tallinn, or Vilnius? If we abandon Kyiv, you will" pic.twitter.com/ksgjoIb6fx

— Julien Hoez (@JulienHoez) April 27, 2025
Proukrainische Stimmung

Der Verweis auf die Befürchtung, dass Wladimir Putin auch die Nato-Staaten Lettland, Estland und Litauen angreifen könnte, kommt einem forschen Positionsbezug gleich. Dieser widerspiegelt auch, dass die Ukraine in der britischen Bevölkerung in den letzten Jahren stets mehr Unterstützung genoss als in anderen westeuropäischen Ländern.

2024 ergab eine Studie, dass nur 9 Prozent der Briten die Schuld für den Krieg in der Ukraine bei der Nato sehen, während 87 Prozent Moskau verantwortlich machten. In Italien bezeichneten 35 Prozent der Befragten die Nato als Hauptschuldige. Nur rund 10 Prozent der Briten waren der Ansicht, dass die Ukraine wegen negativer wirtschaftlicher Folgen für ihr Land dazu gedrängt werden sollte, territoriale Verluste zu akzeptieren. In Deutschland und Frankreich äusserten rund ein Drittel der Befragten diese Ansicht.

Die Gründe für die proukrainische Stimmung sind vielschichtig. Politologen stellen einen Zusammenhang her mit der generellen Akzeptanz von Militäroperationen im Ausland. Andere Beobachter führen die Erinnerung an den Kampf gegen Nazi-Deutschland in Europa an, die im britischen Nationalbewusstsein bis heute eine wichtige Rolle spielt.

Verblasstes Wohlwollen für Trump

Trends aus den USA schwappen in der Regel schnell auf Grossbritannien über. So ist der britische Kulturkampf stark von amerikanischer Rhetorik geprägt. Exponenten der Reform- und der Tory-Partei suchten nach Trumps Amtsantritt die Nähe zur Maga-Bewegung.

Doch inzwischen ist das Wohlwollen für Trump verblasst, auch in den Kommentarspalten des «Telegraph»: Allister Heath, der scharfzüngige Chefredaktor des «Sunday Telegraph», lobte zwar jüngst Trumps Erfolge im Kampf gegen die irreguläre Migration und die Diversitäts- und Gleichstellungspolitik. Doch warf er ihm vor, abstruse Handelstheorien zu verbreiten, die seine Anhänger wider besseres Wissen nachbeten müssten: «Der rechte Wokeismus ist fast ebenso zum Abgewöhnen wie das linke Original.»

Auch Trumps Ukraine-Politik findet in Grossbritannien wenig Widerhall. Nur vorsichtig kokettiert die Reform-Partei von Nigel Farage mit Putin-freundlicher Rhetorik. Wie der Chef des Meinungsforschungsinstituts Opinium kürzlich darlegte, bleibt die Unterstützung für die Ukraine bei den Briten nahezu unverändert. Trump hingegen ist mit einer Popularitätsrate von bloss 16 Prozent unbeliebt.

Mit seiner prägnanten Inserate-Kampagne zur Ukraine macht der «Telegraph» nicht nur deutlich, dass sich die geopolitischen Interessen der britischen Konservativen von jenen der amerikanischen Gesinnungsgenossen unterscheiden. Er weiss auch die Mehrheit der Briten hinter sich – und nutzt die proukrainische Stimmung geschickt zur Eigenwerbung.

nzz.ch

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