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«Ich verurteile niemanden, der fremdgeht», sagt der Privatdetektiv Erich Wunderli, der bei Verdacht auf Untreue ermittelt

«Ich verurteile niemanden, der fremdgeht», sagt der Privatdetektiv Erich Wunderli, der bei Verdacht auf Untreue ermittelt
«Die Wahrheit kann weh tun»: Erich Wunderli in seiner Detektei in Dübendorf.
«Die Wahrheit kann weh tun»: Erich Wunderli in seiner Detektei in Dübendorf.

Erich Wunderli würde sofort bestätigen, was Schätzungen von Dating-Portalen ergeben. Je nach Quelle geht ein Drittel bis die Hälfte der Schweizer und Schweizerinnen fremd. Oft bleibt die Affäre unentdeckt. Manchmal schöpft der Partner aber Verdacht. Dann kommt womöglich der Detektiv Wunderli ins Spiel.

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Bei über 60 Prozent der Anfragen gehe es um Fremdgehen, sagt Wunderli in seinem Büro in Dübendorf. Hier sitzen ihm die Kunden an seinem grossen Schreibtisch gegenüber und schildern ihm die Indizien, weshalb sie ihren Partner der Untreue verdächtigen.

Es hat etwas Abgedroschenes, so ähnlich klingen die Geschichten, die Wunderli zu hören bekommt und die sich wiederholen, seit es Menschen gibt. Dass etwas nicht stimmt, darauf deuten beispielsweise die vielen geschäftlichen Termine abends hin, das späte Heimkommen. Ein neuer Kleidungsstil. Der andere verbringt plötzlich viel mehr Zeit am Handy. Vielleicht wird auch der Sex seltener. Oder sogar mehr.

Frauen kontaktieren Wunderli häufiger als Männer, aber nicht, weil Frauen weniger zu Seitensprüngen neigten. «Männer sind Technologie-affiner, sie tracken ihre Frauen eher selbst», sagt Wunderli. «Die Frauen überlassen das dem Privatdetektiv.»

Schmaler Grat der legitimen Datennutzung

Seit über vierzig Jahren ist Wunderli im Geschäft mit seiner Detektei, die sechzehn Mitarbeiter beschäftigt, in Teilzeit und je nach Auftrag. Er bildet sie selber aus. Neben Beziehungsangelegenheiten ermittelt der 67-Jährige auch bei Arbeitszeitmissbrauch oder Versicherungsbetrug. Hinter ihm reihen sich die Ordner im Regal, eine Europakarte hängt an der Wand.

Da ruft ihn also eine Frau an mit dem Auftrag, ihren Mann auf heimlichen Wegen aufzuspüren. Reden hat nichts gebracht, der Mann streitet alles ab. Oft bringt Wunderli dann zuerst einen Tracker unter dem Auto des Verdächtigten an. So ist einfach zu verfolgen, ob er immer an dieselbe Adresse fährt. Nach einer Woche beginnt Wunderli mit der Observation. Im Auto sitzend, ausgerüstet mit Fernrohr und Fotoapparat, nimmt er den Eingang ins Visier. Wo klingelt der Mann?

Der GPS-Tracker gehört zu seinen wichtigsten Arbeitsgeräten. Der Detektiv zeigt auf eine Ansammlung kleiner schwarzer Kästchen, die magnetisch am Türrahmen heften und auf ihren Einsatz warten.

Ist das legal? Wunderli bejaht. Seit 2018 erfülle deren Anbringung keinen Straftatbestand mehr. So wisse man ja einzig, wo sich ein Auto befinde, und nicht, wer es steuere, beteuert er. Anders wäre es, wenn er Handydaten zur Ortung einer Zielperson nutzen würde. «Das wäre eine Datenschutzverletzung.»

Nachdem der Detektiv herausgefunden hat, wo und bei wem der Mann so viel Zeit verbringt, entscheidet die Auftraggeberin, ob der Detektiv noch mehr herausfinden soll: ob das inoffizielle Liebespaar zusammen ausgeht, ob es sich als solches zeigt. Händchen hält, sich öffentlich küsst. Und Wunderli den eindeutigen Fotobeweis erbringen kann. Für den Auftrag insgesamt wird die Kundin 2000 bis 3000 Franken zahlen, wie es Wunderli pro Fremdgeher-Fall verlangt.

Die Arbeit am Bildschirm macht heute einen grossen Teil seiner Arbeit aus: Wunderli betrachtet ein Luftbild.
Die Arbeit am Bildschirm macht heute einen grossen Teil seiner Arbeit aus: Wunderli betrachtet ein Luftbild.
Ein Geschenk von Mitarbeitern als Gag: An der Wand, die in Wunderlis Detektei hängt, sind gefakte Fallakten und Fahndungshinweise zu sehen.
Ein Geschenk von Mitarbeitern als Gag: An der Wand, die in Wunderlis Detektei hängt, sind gefakte Fallakten und Fahndungshinweise zu sehen.
Die Geliebte in Italien

Das Handy vereinfacht nicht nur das Anbändeln, sondern auch das Aufdecken einer Affäre. Und es hat, wie überhaupt die Technologie, die Arbeit eines Privatdetektivs verändert. Statt mit in die Stirn gezogenem Hut und hochgeschlagenem Mantelkragen eine verdächtigte Person abzupassen, sitzt ein Detektiv heute vor dem Computer, wertet Daten aus, durchforstet das Internet.

Dennoch ist Wunderli immer noch viel unterwegs. An der Garderobe hängt ein Cap mit dem Schriftzug «Roma». Eine Erinnerung an einen Auftrag, der ihn nach Italien führte. Eine Frau wollte wissen, was ihr Mann dort treibt. Er gebe vor, in Rom seine kranken Eltern zu besuchen, erzählte sie Wunderli.

So schlecht gehe es diesen aber nicht, wie sie ihr versichert hätten, als sie sie extra anrief. Die Eltern bestätigten jedoch die Blitzbesuche des Sohnes.

Also fuhren Wunderli und eine Mitarbeiterin nach Rom, observierten das Hotel des Mannes, folgten ihm unauffällig durch die Strassen und sassen am Schluss in einem Restaurant am Tisch neben ihm und seiner italienischen Geliebten, wo sie die ausgetauschten Liebesschwüre des Paares mit anhören konnten.

Moralisieren liegt ihm fern

Wenn Wunderli erzählt, lacht er häufig. Es klingt nicht schadenfreudig, eher scheinen ihn die Anwandlungen des Menschen, und wie sie ihn in Bedrängnis bringen, zu belustigen – so absurd wie sie oft sind. Man muss nicht Privatdetektiv sein, um zu wissen: Keiner ist vor Untreue geschützt, ob arm oder reich, Professor oder Polier.

Vor Jahren habe seine Detektei einen SVP-Politiker beschattet, erzählt Wunderli. Die Enthüllung, dass der verheiratete Mann eine Affäre hatte, kam damals im «Blick». Der Politiker legte es selber offen. Für Wunderli zeugt dies von Grösse.

Hat er nie Skrupel, im Privatleben der Leute herumzuschnüffeln?

Er würde das nicht so nennen, antwortet Wunderli. «Ich möchte Klarheit schaffen zwischen zwei Personen, bei denen etwas aus dem Lot ist. Manchmal passiert es, dass man sich auseinanderlebt. Ich verurteile die Fremdgeher nicht.»

Vielmehr wolle er verstehen, wie es so weit kommen konnte. Er biete sich als Mediator an und schlage dem Paar vor, zuerst miteinander zu reden und zu schauen, ob die Beziehung zu retten sei, statt gleich den Anwalt einzuschalten.

«Bereits als Bub habe ich gerne Rätsel gelöst.»
«Bereits als Bub habe ich gerne Rätsel gelöst.»
Das Fernglas ist das klassische Arbeitsinstrument bei einer «Obs» – einer Observation.
Das Fernglas ist das klassische Arbeitsinstrument bei einer «Obs» – einer Observation.
Manchmal ist es besser, nicht zu wissen

Wunderli, gelernter Maler-Tapezierer, lebt nach ein paar gescheiterten Beziehungen allein. Als Privatdetektiv sieht er täglich, wie Menschen andere belügen und betrügen. Trotzdem, so sagt er es zumindest, glaube er an das Gute im Menschen, sei sein Alltag nicht von Misstrauen geprägt. «Jemand, der ein Unrecht begeht, ist oft durch die Lebensumstände fehlgeleitet.».

Dieses Vertrauen fehlt denen, die ihn beauftragen. Im Film «Chinatown» von Roman Polanski fragt Jack Nicholson als Privatdetektiv eine Kundin, die ihn auf ihren Mann ansetzt, ob sie ihren Mann liebe. Sie bejaht, und er erwidert: «Dann lassen Sie es bleiben. Manchmal ist es besser, nicht zu wissen und keine schlafenden Hunde zu wecken.»

Auch Wunderli erlebt es hin und wieder, dass die Leute gleichzeitig wissen und nicht wissen möchten – dass sie froh wären, sie hätten es nicht erfahren, wenn er etwas herausgefunden hat. «Man muss sich bewusst sein, dass die Wahrheit gegebenenfalls eine schmerzhafte Entscheidung von einem abverlangt», sagt er.

Doch auch das Gegenteil kann eintreten und die Lösung eines Falls den Auftraggeber froh machen: dann nämlich, wenn sich ein Verdacht in Luft auflöst. Dies passiere ungefähr in zwei von zehn Fällen.

So beschattete er vor Jahren einen Kosmetikvertreter, der mehrere seiner Kundinnen buchstäblich einparfümierte, was seiner Frau nicht entging. Wunderli fand heraus, dass der Mann bloss besonders geschäftstüchtig war, ohne Interesse an einer sexuellen Beziehung.

Der Privatdetektiv demonstriert, wie man einen Tracker unter einem Fahrzeug anbringt.
Der Privatdetektiv demonstriert, wie man einen Tracker unter einem Fahrzeug anbringt.
Mit Spielzeugautos wird eine Beschattung durchgespielt, an der mehrere Detektive beteiligt sind.
Mit Spielzeugautos wird eine Beschattung durchgespielt, an der mehrere Detektive beteiligt sind.
Eine Wanze in der Wand

Immer vorab abklären muss ein Privatdetektiv, der sich in private Beziehungen einmischt, dass es sich um keinen Stalker handelt. Der könnte jemanden bespitzeln wollen, um diesen zu belästigen. Vielleicht hat er bereits ein Rayonverbot.

Wunderli kritisiert die noch immer fehlende Gesetzgebung bei Stalking in der Schweiz. Er hat Stalker überführt. Er erzählt von der Frau, die sich von ihrem Nachbarn verfolgt fühlte, mit dem sie einst ein Verhältnis hatte. Der Nachbar passte sie ab, wann immer sie die Wohnung verliess.

Plötzlich konfrontierte er sie mit Aussagen, die sie am Telefon gegenüber einem Freund gemacht hatte. Die Frau wurde misstrauisch und beauftragte Wunderli, ihre Wohnung zu durchsuchen. Tatsächlich fand er eine Wanze in der Wand. Der Nachbar hatte von seiner Seite der Wohnung ein Loch gebohrt und die Wanze in der Mitte installiert.

Wunderli darf nach Wanzen suchen, aber nicht Wanzen anbringen, um jemanden zu überwachen. Weil dies ein strafrechtlich relevanter Fall war, wies er die abgehörte Frau an, bei der Polizei Anzeige zu erstatten.

Er darf nicht auf Baugerüste klettern, um in fremde Wohnungen zu schauen. Oder von der Strasse aus mit dem Teleobjektiv hineinzoomen. Verfolgungsjagden lässt er besser bleiben, denn anders als ein Polizist, muss er sich an die Verkehrsregeln halten.

Eifersüchtige Liebhaber, die jemanden bloss bespitzeln wollen, sind bei Wunderli an der falschen Adresse.
Eifersüchtige Liebhaber, die jemanden bloss bespitzeln wollen, sind bei Wunderli an der falschen Adresse.
Kameras und technische Hilfsmittel, die Wunderli und seine Detektive beim Ermitteln brauchen.
Kameras und technische Hilfsmittel, die Wunderli und seine Detektive beim Ermitteln brauchen.
Schwänzen im Home-Office

Auf Wunderlis Pult steht eine Skulptur der Justitia, daneben misst ein Gerät die Luftqualität. Eine Erinnerung an die Corona-Zeit. Damals erhielt er viele Aufträge von Firmenchefs, die ihre Mitarbeiter im Home-Office überprüfen wollten.

Auch da gibt es für ihn Standesregeln: «Wir kontrollierten nicht die ganze Belegschaft auf gut Glück, sondern nur bei Verdachtsfällen.» Wie den Mann, der dann, statt am Computer zu sitzen, zu seinem Nachbarn jassen ging.

Selbst nicht auffliegen beim Beschatten, das ist für den Privatdetektiv oberstes Gebot. An der Garderobe hängt ein weisser Helm und eine Warnweste. So fällt er nicht auf, wenn er auf einer Baustelle das missbräuchliche Rapportieren der Arbeitszeit untersucht. Überhaupt wirke die Verkleidung: «So wird man zur Respektsperson.»

Sicherheit bietet Wunderli und seinen Detektiven noch etwas anderes: Sie sind immer mindestens zu zweit unterwegs. Der eine fährt, der andere hält die Augen offen. Es sei ein Schutz, wenn es brenzlig werde. «So hat man einen Zeugen dabei.»

Er möchte nicht erwischt werden, wenn er den Tracker an einem Fahrzeug montiert. «Deshalb habe ich immer einen Fünfliber im Hosensack». Er klaubt eine Münze aus seiner Jeans. «Notfalls lasse ich die fallen und sage, das Münzstück sei mir unter das Auto gerollt.» Es sei schon vorgekommen, dass ihm der Autobesitzer beim Suchen geholfen und ihm mit seiner Handytaschenlampe geleuchtet habe.

Wunderlis eigene Blamage

Schliesslich besteht ein Grossteil seiner Arbeit darin, während Stunden im Auto zu sitzen und zu warten. Zwei Männer in einem parkierten Auto fallen auf in einer Nachbarschaft, «wo vielleicht alte Leute leben, die den ganzen Tag aus dem Fenster schauen». Deshalb lässt sich Wunderli immer von einer Detektivin begleiten.

Trotz all diesen Massnahmen passieren auch ihm Fehler. Es war eine Winternacht, sie sassen im Auto und observierten eine Frau, die einen Mann besuchte. Würde sie bei ihm übernachten? Um 3 Uhr brannte in einem Fenster immer noch Licht. Redeten die bloss? Draussen Minustemperaturen, das Radio lief, und um sich etwas aufzuwärmen, setzte Wunderli den Heizlüfter in Gang und den Zigarettenanzünder.

Gegen Morgen trat die Frau aus dem Haus, setzte sich in ihr Auto und fuhr davon. Sie wollten ihr folgen, doch der Motor sprang nicht an. Die Batterie war leer.

Wunderli muss noch immer lachen, wenn er an die Blamage zurückdenkt. Vielleicht sind es die eigenen Unzulänglichkeiten, die den Privatdetektiv nicht zynisch werden lassen, der von den Fehltritten der anderen lebt.

nzz.ch

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